Unter einer parodontalen Rezession versteht man einen entzündungsfreien Rückgang des Zahnfleisches (Gingiva) mit Freilegung der Wurzeloberfläche. Eine solche Rezession kann an allen Zahnflächen auftreten. Die Ursachen sind vielfältig, eine der häufigsten ist eine falsche Zahnputztechnik.
Besonders betroffen sind Menschen mit einem von Natur aus vergleichsweise dünnem Zahnfleisch. Auch die darunterliegende knöcherne Unterstützung ist oftmals schwach ausgeprägt. Wird in solchen Fällen über Jahre hinweg mit einer zu harten Zahnbürste gereinigt und eine falsche Zahnputztechnik angewandt, zieht sich das dünne Zahnfleisch langsam zurück, bis schließlich auch die Wurzeloberfläche freigelegt wird.
Neben diesem sogenannten Putztrauma kann die Rezession auch eine Folge von Zahnfehlstellungen sein. Wächst ein Zahn zum Beispiel außerhalb der Zahnreihe, ist er meist von dünnem Zahnfleisch umgeben. Auch schlecht sitzende zahnärztliche Restaurationen oder Verletzungen können eine parodontale Rezession hervorrufen.
Die Folgen der Rezession: funktionelle und ästhetische Beeinträchtigungen
Mit dem Fortschreiten der Rezession wird es unübersehbar: Das Zahnfleisch weicht an den Außenflächen der Zähne zurück. Dies lässt die betroffenen Zähne optisch länger erscheinen als die benachbarten mit gesundem Zahnfleisch, und der Zahnfleischverlauf wirkt zunehmend unharmonisch. Neben dieser ästhetischen Beeinträchtigung führt eine starke Rezession jedoch auch zu funktionellen Störungen: Die freiliegenden Wurzeloberflächen sind äußerst empfindlich. Werden sie gewissen Reizen, wie Kälte oder Wärme, ausgesetzt, treten stechende Schmerzen auf, die für die Betroffenen sehr unangenehm sind und mitunter die Lebensqualität deutlich einschränken.
Ein Zahnfleischrückgang kann außerdem zu einem erhöhten Risiko für eine Wurzelkaries führen, da das im Wurzelbereich freiliegende Dentin kariesanfälliger ist als der Zahnschmelz. Erfolgt keine Behandlung, droht im Extremfall das Verschwinden des gesamten befestigten Zahnfleisches, Der freiliegende Zahnhals nur noch von der beweglichen Schleimhaut begrenzt. Ist es einmal so weit gekommen, kann auch keine ausreichende Mundhygiene mehr erfolgen.
Behandlungsbedarf und Behandlungsmöglichkeiten: die Rezessionsdeckung
Eine Zahnfleischkorrektur kann medizinisch notwendig oder durch die ästhetischen Bedürfnisse des Betroffenen begründet sein. Der Zahnarzt wird zunächst prüfen, wie weit der Zahnfleischrückgang bereits fortgeschritten ist. Unterschieden werden vier Klassen (Miller Klasse I bis IV): Sie definieren die verschiedenen Grade der Rezessionen und sind ein entscheidender Faktor für die individuelle Behandlungsplanung. Zudem ermöglicht diese Einstufung eine verlässliche Prognose hinsichtlich des Erfolges einer chirurgischen Rezessionsdeckung.
Gering ausgeprägte Rezessionen, die beim Patienten keine Beschwerden verursachen und zu keinem erhöhten Kariesrisiko führen, müssen aus rein medizinischer Sicht meist nicht behandelt werden. Unerlässlich ist in solchen Fällen eine regelmäßige Kontrolle beim Zahnarzt. Nimmt der Zahnfleischrückgang kontinuierlich zu, wird die Mundhygiene beeinträchtigt, was wiederum Entzündungen begünstigen kann. In diesem Fall kann eine Behandlung notwendig werden.
Unabhängig vom Behandlungsgrund sind die Ziele der Rezessionsdeckung immer dieselben: Die freiliegende Wurzeloberfläche möglichst vollständig abzudecken und die Rezession zu stoppen.
Die chirurgische Behandlung: Zahlreiche unterschiedliche Techniken
In der ästhetisch-plastischen Parodontalchirurgie stehen für die Zahnfleischkorrektur und die Wiederherstellung eines harmonischen Zahnfleischverlaufs unterschiedliche minimalinvasive Verfahren und mikrochirurgische Techniken zur Verfügung. Das Zahnfleisch wird schonend korrigiert und die freiliegenden, oftmals schmerzempfindlichen Zahnhälse werden wieder abgedeckt. Welches Verfahren gewählt wird, hängt unter anderem vom Schweregrad der Rezession ab.
Zu den gängigsten Verfahren gehört die Abdeckung der freiliegenden Wurzeloberflächen durch eine sogenannte Verschiebelappenplastik. Bei dieser Methode wird ein „Lappen“ aus vorhandenem, gesundem Zahnfleisch aus einer benachbarten Region an die abzudeckende Wurzeloberfläche verschoben, um die Rezession zu decken. Der Lappen wird mit feinsten Nähten so fixiert, dass er sicher anheilen kann.
Eine Rezession wird häufig auch mithilfe von körpereigenen Weichgewebstransplantaten oder künstlichen Transplantaten durchgeführt. Als Weichgewebstransplantate kommen heute fast nur Bindegewebstransplantate aus dem harten Gaumen zum Einsatz. Oftmals wird die Verschiebelappentechnik auch mit einem Transplantat kombiniert. Das Transplantat bildet dabei sozusagen eine zusätzliche verstärkende Unterlage. So wird zusätzlich zur Rezessionsdeckung auch eine Verdickung des Gewebes erreicht, wodurch dessen Widerstandsfähigkeit verbessert wird.
Hoch innovative Techniken ermöglichen es heute, Transplantate auch ohne vorherige Ablösung des noch vorhandenen Zahnfleisches einzubringen – mit der sogenannten Tunneltechnik. Mehr zu dieser Technik erfahren Sie im nächsten Artikel.
Die nichtchirurgische Behandlung bei Rezession im Anfangsstadium
Freiliegende Wurzeloberflächen können unter bestimmten Voraussetzungen auch nichtchirurgisch behandelt werden. Dabei wird allerdings meist keine komplette Wurzelabdeckung erreicht, denn Zahnfleisch, das einmal verloren ist, lässt sich ohne plastisch-chirurgischen Eingriff kaum wieder herstellen. Befindet sich der Zahnfleischrückgang noch in einem sehr frühen Stadium, kann jedoch durch eine gezielte Behandlung ein Fortschreiten der Rezession verhindern und Folgeschäden Einhalt geboten werden. Eine der wichtigsten Komponenten ist dabei das Erlernen einer schonenden Zahnputztechnik mit einer weichen Zahnbürste, die keine traumatischen, abrasiven Folgen hat. Zudem kann die Überempfindlichkeit der geringfügig freiliegenden Zahnhälse mit desensibilisierenden Versiegelungen gelindert werden. In Ergänzung kann bei Bedarf eine Zahnhalsfüllung zur Behandlung einer Wurzelkaries erfolgen.
Langfristig optimale Ergebnisse durch chirurgische Rezessionsdeckung
Reicht eine nichtchirurgische Behandlung bei Rezession nicht aus, so bieten moderne mikrochirurgische Verfahren die Möglichkeit, wieder einen harmonischen Zahnfleischverlauf herzustellen, die Zähne und Zahnwurzeln wirksam vor schädigenden Aggressoren und Karies zu schützen und die Schmerzempfindlichkeit zu beseitigen. Zahnfleischkorrekturen sind ein hoch anspruchsvoller Spezialbereich der plastischen Parodontalchirurgie. Die chirurgische Rezessionsdeckung erfordert fundiertes parodontologisches Know-how sowie viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Vertrauen Sie sich einem erfahrenen Zahnarzt oder einem Spezialisten für Parodontologie an.
Ihr Dr. Marc Hinze
Weitere Informationen zum Thema Rezession:
Ein Erfahrungsbericht: Zahnfleisch-Lifting für neue Ästhetik bei starkem Zahnfleischrückgang