Bei vielen Menschen zieht sich das Zahnfleisch im Laufe der Jahre zurück, ohne dass eine Entzündung oder eine Parodontitis vorliegt. Diese sogenannten Rezessionen betreffen einen hohen Anteil der Bevölkerung und kommen bei älteren wie auch bei jüngeren Patienten vor. Laut wissenschaftlichen Studien sind in Europa bis zu 90% der über 50-Jährigen betroffen.
Häufigste Ursache für den Zahnfleischrückgang sind falsche Zahnputztechniken. Auch Zähneknirschen oder Zähnepressen, altersbedingter Zahnfleisch- oder Knochenrückgang, ein zu starker Zug aufgrund tief ansetzender Lippen- und Wangenbändern sowie kieferorthopädische Behandlungen können zu Rezessionen führen. Mehr zu den Ursachen und Auswirkungen lesen Sie hier.
Rezessionsdeckung zum Schutz der Zahnwurzel – und für eine gute Zahnfleischästhetik
Die chirurgische Deckung der durch den Zahnfleischrückgang freiliegenden Zahnhälsen (Rezessionsdeckung) hat im Wesentlichen folgende Ziele: Verbesserung der Plaquekontrolle, Vermeidung von bakteriell verursachten Zahnfleischentzündungen (Gingivitis), Vermeidung von Wurzelkaries und Schmerzempfindlichkeit sowie die Optimierung der Zahnfleischästhetik.
In der modernen Zahnmedizin stehen mehrere Methoden und minimal invasive Operationsverfahren zur Rezessionsdeckung zur Verfügung. Eine der am häufigsten angewandten, die Verschiebelappentechnik, haben wir in unserem letzten Beitrag beschrieben. Eine weitere Methode mit hervorragenden Erfolgsergebnissen ist die sogenannte Tunnelierungstechnik, kurz auch Tunneltechnik genannt. Sie wird häufig in Kombination mit der Verschiebelappentechnik angewandt und eignet sich besonders, wenn mehrere nebeneinanderliegende Zähne vom Zahnfleischrückgang betroffen sind (multiple Rezessionen). Die Tunneltechnik möchten wir Ihnen in diesem Artikel näher vorstellen:
Die Tunnelierungstechnik (Schlüssellochtechnik / Pinhole-Technik) als Behandlungsmethode zur Rezessionsdeckung
Bei der Tunnelierungstechnik wird zunächst die Empfängerstelle im gesamten zu behandelnden Rezessionsbereich so präpariert, dass sie später das Bindegewebstransplantat. Dafür wird im Rezessionsbereich das Zahnfleisch mit speziellen, hoch präzisen Tunnelierungsinstrumenten oder Mikroklingen vorsichtig vom Knochen gelöst.
Je nach Gewebedicke kann ein sogenannter Mukosalappen gebildet werden: Das Periost, die dünne Gewebeschicht, die die Außenfläche des Knochens überzieht, wird auf dem Knochen belassen und der Lappen wird entsprechend präpariert. Dabei entsteht ein Weichgewebstunnel, der über die betreffende Zahnreihe hinweg durchgängig verläuft.
Um die Neubildung von Wurzelzement und die Regeneration des Zahnfleisches zu fördern, kann auf die Wurzeloberflächen ein Schmelzmatrixprotein-Präparat aufgetragen werden. Die Schmelzmatrixproteine verhindern außerdem das Einwachsen unerwünschter Zellen aus der Umgebung.
Im zweiten Schritt erfolgt die Entnahme eines Bindegewebstransplantats aus dem Gaumen. Die Länge und Breite wird so gewählt, dass alle Rezessionen sicher gedeckt werden können. Dieses Transplantat wird nun in den vorbereiteten Weichgewebetunnel an der Empfängerstelle eingebracht. Mit dem fertig präparierten, tunnelierten Lappen wird dann die Rezession spannungsfrei bedeckt und der Lappen wird mit feinsten Mikronähten an den Zähnen fixiert.
Das Bindegewebstransplantat: schonende Entnahme ohne offene Wundfläche
Das Bindegewebstransplantat dient als zusätzliches Gewebe, mit dem das Zahnfleisch verbreitert wird. Zudem wird das Zahnfleisch mit Hilfe des Transplantats durch die Unterfütterung verdickt. Dies unterstützt eine sichere und langfristig stabile Rezessionsdeckung. In der Regel wird das Bindegewebstransplantat vom Gaumen entnommen. Wie der Name schon sagt, wird lediglich das Bindegewebe herausgetrennt – die mittlere Schicht des Zahnfleisches unterhalb des Deckgewebes. Es entsteht also eine Art Tür, die nach der Entnahme wieder zugeklappt und vernäht wird. Da das Deckgewebe als schützende Schicht erhalten bleibt entsteht keine offene Wundfläche, was eine schnelle Heilung ermöglicht.
Was nach dem Eingriff zu beachten ist
Nach der Zahnfleischkorrektur muss der Patient darauf achten, dass der Operationsbereich mechanisch nicht stark beansprucht wird. Zudem wird der Bereich während zwei Wochen zweimal täglich mit einer Chlorhexidindigluconat-Lösung gespült. Vorsichtiges Zähneputzen wird nach ein bis zwei Wochen mit einer weichen Zahnbürste wieder aufgenommen. Die Nähte im Bereich der Rezessionsdeckung nach ca. zehn Tagen entfernt. Meist wird nach etwa zwei Monaten eine Nachkontrolle durchgeführt.
Voraussetzung für die Behandlung des Zahnfleischrückgangs
Vor jeder operativen Behandlung einer Rezession müssen die Ursachen des Zahnfleischrückgangs diagnostiziert und möglichst eliminiert werden. Falsche Zahnputztechniken zählen zu den häufigsten Ursachen für die Rezession. Die Schulung des Patienten in der optimalen Technik gehört deshalb zu den Maßnahmen, die dabei helfen, die Rezession langfristig zu stoppen.
Vor der Rezessionsdeckung muss zudem bei jedem Patienten ein höchstmögliches Niveau an Mundhygiene sichergestellt werden. Dies wird durch eine professionelle Zahnreinigung erreicht, die unter Umständen mehrere Sitzungen umfassen kann. Die Wurzeloberflächen der betroffenen Rezessionen werden gereinigt und geglättet, eventuell vorhandene bakterielle Zahnbeläge (Plaque) sowie Rauigkeiten werden entfernt.
Stabilität und Ästhetik: Behandlungserfolge bei tunnelierenden Operationstechniken
Tunnelierende Operationstechniken zur Rezessionsdeckung zählen zu den am sichersten vorhersagbaren Methoden hinsichtlich des Heilungsverlaufs und des Behandlungserfolges. Die Technik ermöglicht eine gute Durchblutung des Verschiebelappens und des darunterliegenden Transplantates. Eine Zahnfleischkorrektur mit Tunneltechnik in Kombination mit einem Bindegewebstransplantat führt zu einer guten Langzeitstabilität der Behandlungsergebnisse. Neben der dauerhaft stabilen Abdeckung der freiliegenden Zahnhälse ermöglicht die Methode zudem eine narbenlose Heilung und ein optimales Ergebnis im Bereich der Zahnfleischästhetik mit guter farblicher Anpassung.
Auch unterschiedlich stark ausgeprägte Rezessionsdefekte an benachbarten Zähnen lassen sich mit dem tunnelierenden Vorgehen harmonisch ausgleichen. Weiterhin eignet sich die Tunneltechnik für den Unterkieferbereich, da dort aufgrund der hohen muskulären Einflüsse eine sehr hohe Wundstabilität gefordert ist.
Anspruchsvolle Therapie vom ausgebildeten Facharzt
Obwohl es sich bei der chirurgischen Rezessionsdeckung um einen operativen zahnmedizinischen Eingriff handelt, bei dem auch genäht wird, müssen Sie sich weder vor Schmerzen noch vor starken Einschränkung oder einer langwierigen Behandlung fürchten. Die Korrekturen werden in örtlicher Betäubung durchgeführt und sind daher schmerzfrei. Auch nach der Behandlung treten in der Regel keine starken Schmerzen auf. Meist lassen sich mit nur einer Operation alle zu behandelnden Rezessionen korrigieren.
Tunnelierende Operationsverfahren zählen zu den technisch anspruchsvollen und sensiblen Operationsmethoden der plastisch-ästhetischen Parodontalchirurgie. Speziell ausgebildete Fachärzte und qualifizierte Spezialisten für Parodontologie bieten diese Art der Zahnfleischkorrektur an. Achten Sie bei der Wahl Ihres Zahnarztes auf die entsprechende Fachausrichtung und Kompetenz, um einen langfristigen Behandlungserfolg sicherzustellen.
Ihr Dr. Marc Hinze
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