„Volkskrankheit Parodontitis“: Ist diese Bezeichnung gerechtfertigt? Sieht man sich die aktuelle Datenlage an, sieht es ganz so aus. Zahnmediziner gehen davon aus, dass etwa 50 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland von einer moderaten Parodontitis betroffen sind. Unter schwerer Parodontitis leiden etwa 20 Prozent der Erwachsenen. Damit ist die Parodontitis eine der häufigsten Erkrankungen im Bereich der Zahnmedizin – und Sie zählt zu den häufigsten Erkrankungen des Menschen.
Auffälliges Missverhältnis: Unterversorgung bei Parodontitis in Deutschland
Die Zahlen zeigen deutlich, dass Parodontitis sehr weit verbreitet ist – doch bei weitem nicht alle Betroffenen lassen sich entsprechend behandeln. Dies bezieht sich sowohl auf die Prävention, als auch auf die Therapie parodontaler Erkrankungen und die Nachsorge. Hinsichtlich chronischer Zahnbettentzündungen sprechen die Zahnmediziner deshalb von einer deutlichen Unterversorgung der Bevölkerung in Deutschland. Dies bestätigen auch die Daten aus dem Jahrbuch der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) aus dem Jahr 2013: Nur 3,3 Prozent der Ausgaben im Bereich der zahnmedizinischen Versorgung in der GKV entfielen auf den Bereich der Parodontologie.
Was ist Parodontitis?
Kurz gesagt: Eine Parodontitis ist eine Entzündung des Zahnhalteapparates, die durch eine Infektion mit Bakterien aus den Zahnbelägen verursacht wird. In der Folge der entzündlichen Veränderungen im Zahnhalteapparat kommt es zum Verlust an stützendem Gewebe und zu einem Rückgang an Zahnfleisch und Knochen, der sogenannten Rezession.
Die Parodontitis führt zur Zerstörung aller Anteile des Zahnhalteapparates, das Zahnfleisch geht immer weiter zurück, die Zähne lockern sich. Wird die chronische Entzündung nicht gestoppt, schreitet sie bis zum Kieferknochen vor und führt zu dessen Abbau. Im schlimmsten Fall kommt es zum Zahnverlust. Ab der Lebensmitte ist die Parodontitis die häufigste Ursache für den Verlust von Zähnen. Doch auch wenn ein Zahnverlust bereits droht, kann er durch gezielte zahnmedizinische Intervention, wie Knochenaufbau und Regeneration des Zahnhalteapparates vermieden werden.
Die Vorstufe der Parodontitis ist immer eine Gingivitis, eine Zahnfleischentzündung. Typische Symptome sind Rötungen und Schwellungen des Zahnfleisches sowie Zahnfleischbluten. Aus der anhaltenden Gingivitis kann sich im Laufe der Zeit eine Parodontitis entwickeln. Da die Symptome fast immer schmerzfrei sind, bleibt sie von sehr vielen Patienten lange Zeit unbemerkt. Erst wenn die Zahnstellung sich verändert, Zähne aufgrund des Zahnfleischrückgangs länger erscheinen oder sich bereits lockern, wird der Zahnarzt aufgesucht. Die Parodontitis wird deshalb häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert.
Warum können sich schädliche Bakterien so breit machen? Ursachen der Parodontitis
Wie oben erwähnt, ist für die Entstehung einer Parodontitis immer die Ansammlung von Bakterien in Form von Zahnbelägen ursächlich. Ohne solche Beläge – auch als Plaque oder Biofilm bezeichnet – kann eine Gingivitis nicht entstehen, und somit auch keine Parodontitis.
Das Bakterienvorkommen in der Mundhöhle ist völlig normal, in gesundem Zustand wird sie von über 700 Bakterienarten besiedelt – sie sind fast alle harmlos und sogar nützlich. Eine Zahnfleischentzündung und eine Parodontitis als mögliche Folge entwickeln sich erst, wenn die Zahnbeläge und damit die Menge der Bakterien zunehmen. Doch wie kommt es dazu? Die einfache Antwort: durch eine falsche oder unzureichende Zahnreinigung. Wenn der noch weiche Belag bei der täglichen Zahnreinigung nicht gründlich entfernt wird, lagern sich Mineralien an und der Belag verfestigt sich. Zahnstein entsteht, der die Ausbreitung des Zahnbelages in Richtung Zahnwurzel ermöglicht. Mit der Zeit bildet sich zwischen der Zahnwurzel und dem umgebenden Zahnfleisch ein Spalt: die Zahnfleischtasche – ein perfekter Lebensraum für Bakterien. Der Bakterienstoffwechsel produziert Gifte, die ins Zahnfleisch wandern. Gegen diese Gifte wehrt sich der Körper, eine Entzündung entsteht. Die gute Nachricht: Da die Parodontitis ihren Anfang in den bakteriellen Zahnbelägen nimmt, können Sie der Erkrankung durch einfache Maßnahmen selbst entgegenwirken.
Schall und Rauch: Die stärksten Risikofaktoren für eine Parodontitis
Wissenschaftliche Studien bestätigen die Praxiserfahrungen der Zahnmediziner, es muss leider gesagt werden: Raucher erkranken wesentlich häufiger an einer Parodontitis als Nichtraucher. Und nicht nur das – auch der Verlauf der Erkrankung ist bei Rauchern deutlich schwerer ausgeprägt. Die Zähne lockern sich schneller und gehen auch öfter verloren. Erschwerend kommt hinzu, dass die Therapie bei Rauchern deutlich schlechter anschlägt als bei Patienten mit gleicher Erkrankungsschwere, die nicht rauchen. Neben Rauchen können einige weitere Faktoren die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer parodontalen Erkrankung erhöhen oder deren Verlauf beeinflussen.
Entstehung von Parodontitis – die stärksten Einflussfaktoren und Risiken
- Unzureichende oder falsche Mundhygiene (Zahnbeläge und Menge der Bakterien nehmen zu)
- Allgemeinerkrankungen wie Diabetes
- Besonders aggressive Keime, die schwer auszumerzen sind
- Psychisches Befinden und ausgeprägte, langanhaltende Stressbelastungen
- Rauchen
- Genetik
Wie gesund ist Ihr Zahnfleisch?
Auf der Website der DG Paro (Deutsche Gesellschaft für Parodontologie) können Sie einen kurzen Selbsttest machen:
Ausführliche und verständliche Informationen zum PSI, dem Parodontalen Screening Index zur Früherkennung der Parodontitis, erhalten Sie in dieser Broschüre.
Weiter gedacht: Auswirkungen von Parodontitis auf die Allgemeingesundheit
Woran die meisten Patienten nicht denken: Die so harmlos beginnende Parodontitis kann Auswirkungen auf die Allgemeingesundheit haben. Wissenschaftliche Studien belegen, dass eine
Parodontitis das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck und Diabetes erhöht. Bei Diabetikern eine intensive therapeutische Betreuung hinsichtlich parodontaler Erkrankungen notwendig. Besonders aufmerksam sollten auch schwangere Frauen sein, denn eine unbehandelte Parodontitis kann das Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft, wie Präeklampsie, Frühgeburt und niedriges Geburtsgewicht, erhöhen. Mehr zu Risiken in der Schwangerschaft durch Parodontitis in einem separaten Beitrag.
Therapie: Wie wird eine Parodontitis behandelt?
Durch eine konsequente und systematische Behandlung kann die bestehende Parodontitis in den meisten Fällen gestoppt werden. Eine Parodontosebehandlung umfasst im Wesentlichen drei Stufen: die Hygienephase, die Reinigung der Wurzeloberfläche und gegebenenfalls die Parodontalchirurgie sowie die Unterstützende Parodontitistherapie (Nachsorge).
Parodontose Behandlung München
Basis der Therapie ist immer die vollständige Beseitigung der bakteriellen Zahnbeläge, die der Wegbereiter für die Zahnbetterkrankungen sind. Spezialisierte Dentalhygienikerinnen entfernen Plaque, Zahnstein und harte Ablagerungen unterhalb des Zahnfleischsaumes. Können besonders aggressive Bakterien dadurch nicht ausgemerzt werden, kommen eventuell zusätzlich Pro- oder Antibiotika zum Einsatz.
Die weiteren Behandlungsschritte umfassen die mechanische Reinigung der Wurzeloberflächen und die Beseitigung des Biofilms. Ergänzend lässt sich das durch Parodontitis geschädigte Zahnfleisch (große Zahnfleischtaschen) durch minimalinvasive chirurgische Eingriffe regenerieren. Fehlende Knochensubstanz kann durch verschiedene Methoden der Geweberegeneration wieder aufgebaut werden.
Im Anschluss an diese Behandlungsschritte ist die optimale Nachsorge und Prophylaxe (Unterstützende Parodontitistherapie) von größter Bedeutung für den langfristigen Therapieerfolg. Denn der Biofilm kann sich innerhalb kurzer Zeit wieder aufbauen und es besteht die Gefahr, dass die Erkrankung zurückkehrt und die Zerstörung des Zahnhalteapparates fortgesetzt wird. Zur Nachsorge zählen die richtige häusliche Mundhygiene und eine regelmäßige professionelle Dentalhygiene in der Zahnarztpraxis. Der Langzeiterfolg hängt also auch von Ihrem Engagement ab!
Vorsicht ist besser als Nachsicht: Das können Sie tun, um einer Parodontitis vorzubeugen
Sie können der Entstehung von Gingivitis und Parodontitis vorbeugen – durch richtige, gründliche und konsequente Mundhygiene. Ergänzen sollten Sie die häuslichen Maßnahmen durch die Kontrolle und Behandlung bei Ihrem Zahnarzt.
Die Bildung schädlicher bakterieller Zahnbeläge (Biofilm) können Sie durch die gründliche Pflege der Zähne verhindern, die Sie zweimal täglich mit der Zahnbürste durchführen. Einmal täglich sollten Sie zusätzlich alle Zahnzwischenräume von Belägen befreien. Abhängig von Ihrer Zahnstellung und der Größe der Zahnzwischenräume verwenden Sie hierzu für die schwer zugänglichen Stellen Zahnseide und bei größeren Zahnzwischenräumen – vor allem im Backenzahnbereich – Zahnzwischenraumbürsten (Interdentalbürstchen). Wenn Sie mit diesen Hilfsmitteln noch nicht vollständig vertraut sind, raten wir Ihnen, sich in Ihrer Zahnarztpraxis von der Dentalhygienikerin den richtigen und effektiven Gebrauch zeigen zu lassen.
Meist ist das menschliche Gebiss so beschaffen, dass es nicht gelingt, durch die häusliche Mundhygiene alle Beläge vollständig zu entfernen. Es entstehen feste Beläge und mineralisierte Auflagerungen auf der Zahn- oder Wurzeloberfläche (Zahnstein). Deshalb sollten Sie zweimal jährlich eine professionelle Zahnreinigung bei einer Dentalhygienikerinnen durchführen lassen. Da nach der professionellen Zahnreinigung die Zahnoberflächen mit speziellen Pasten und Polierkelchen poliert werden, kann sich neue Plaque nicht mehr so schnell ansiedeln.
Für die wichtige Früherkennung der Parodontitis stehen bei Ihrem Spezialisten für Parodontologie zudem spezielle Tests zur Verfügung. Fragen Sie nach diesen Angeboten, denn je früher die Erkrankung erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen.
Gut aufgehoben: Beim Spezialisten für Parodontologie
Alle Zahnärzte können aufgrund ihrer generellen zahnmedizinischen Ausbildung Erkrankungen des Zahnhalteapparates diagnostizieren und behandeln eine Parodontitis zumindest im leichten oder mittelschweren Stadium. Für Patienten, die unter einer schweren oder schwer zu behandelnden Parodontitis leiden, kann es hilfreich sein, sich an einen auf Parodontologie spezialisierten Zahnarzt zu wenden. Für eine solche Spezialisierung gibt es in Deutschland viele Fort- und Weiterbildungen. Die verwendeten Bezeichnungen sind ebenso vielfältig, und für den Patienten ist es manchmal schwer, sich zurechtzufinden. Zu den Qualifikationen, auf die Sie sich verlassen können, zählen die der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie e.V. (DG PARO), wie beispielsweise die höchste Qualifikation „DG PARO-Spezialist für Parodontologie®“. Mehr Informationen dazu finden Sie auf der Internetseite der DG PARO, einer der größten deutschen zahnmedizinischen Fachgesellschaften.
So finden Sie Ihren Spezialisten für Parodontologie in Ihrer Nähe
Auf der Website stellt die DG PARO auch eine Suchfunktion zur Verfügung. Dort können Sie für Spezialisten für Parodontologie in Ihrer Umgebung finden, die sich gezielt für die Behandlung von Parodontitis fortgebildet haben und über einen DG PARO-Master of Science oder eine Zertifizierung als DG PARO-Spezialist für Parodontologie® verfügen:
Spezialisten für Parodontologie finden
Sie haben es in der Hand: Früherkennung und konsequente Therapie
Durch die „Volkskrankheit Parodontitis“ spielt die Parodontologie heute eine wesentliche Rolle in der zahnmedizinischen Behandlung. Zahnbetterkrankungen vorzubeugen und eine entstehende Parodontitis konsequent zu behandeln sollte die Grundlage des zahnärztlichen Handelns sein. Dies gilt umso mehr, da es eindeutige wissenschaftliche Belege dafür gibt, dass parodontale Erkrankungen nicht nur zu Zahnverlust führen, sondern zudem Auswirkungen auf unsere Allgemeingesundheit haben können. Vor diesem Hintergrund ist auch eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Zahnmedizinern, anderen Fachärzten und Hausärzten wünschenswert.
Was wir Ihnen raten: Verwenden Sie besondere Sorgfalt auf Ihre tägliche Zahnreinigung und Zahnpflege und geben Sie Ihrem Zahnarzt unbedingt die Chance zur Früherkennung der Parodontitis – ganz einfach dadurch, dass Sie regelmäßig zur Kontrolle gehen. Und wenn Sie betroffen sind, nehmen Sie die Behandlungstermine und die Nachsorgetermine gewissenhaft wahr. Denn „Ihre Parodontitis“ liegt zu einem guten Teil in Ihren eigenen Händen.
Ihr Dr. Marc Hinze